№ 23: BAUSTELLE LEHRAMT
Wer sich dazu entschließt, an der Universität Heidelberg ein Lehramtsstudium aufzunehmen, hat ohnehin schon mit leichten Startnachteilen zu kämpfen. Obwohl sie rund ein Achtel der Studierendenschaft stellen, sind die angehenden Lehrer*innen traditionell so etwas wie das ungeliebte Stiefkind der Universität – immer etwas belächelt, immer etwas vernachlässigt, immer etwas unterschätzt. Aber das sind Gegebenheiten, über die man sich zwar ärgern, die man zur Not aber auch einfach ignorieren kann.
Ganz anders sieht es dagegen mit den Zumutungen aus, die den angehenden Lehrer*innen von ihrer Landesregierung eingebrockt wurden. Vor ziemlich genau fünf Jahren traf die grün-rote Koalition die Entscheidung, die Lehramtsstudiengänge von einem durchgängigen Staatsexamensstudium auf ein Bachelor-Master-System umzustellen. Das Ergebnis dieser Reform sollte die Quadratur des Kreises sein: Man träumte von mehr Flexibilität, mehr Mobilität, mehr Praxisbezug und mehr Didaktik, ohne aber zugleich Abstriche in der Fachwissenschaft oder der Studiumsdauer machen zu wollen. (Auch dass es vielleicht nicht die allerbeste Idee ist, wenn die angehenden Lehrer*innen erst im dritten Master-Semester ihre ersten schulpraktischen Erfahrungen sammeln, wurde schöngeredet oder ignoriert.)
Es handelt sich also um ein aberwitziges Experiment, das auf den Rücken der Lehramtsstudierenden ausgetragen werden soll. Die Heidelberger Studierendenschaft hat von Anfang an vor der Reform gewarnt, sich mit anderen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen vernetzt, gemeinsam Protest geübt – leider vergeblich. Zum Wintersemester 2015/16 wurde zunächst der Lehramts-Bachelor, zum Wintersemester 2018/19 nun auch der Master of Education inthronisiert. Und beide Systeme scheinen gekommen, um zu bleiben.
Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken oder voller Schadenfreude das entstehende Chaos zu verfolgen, bemüht sich die Verfasste Studierendenschaft – insbesondere in Form des AK Lehramt, aber mit der ausdrücklichen Unterstützung durch den Studierendenrat – seither darum, das Beste aus dieser Situation zu machen.
Eine wichtige Aufgabe besteht darin, über die neuen Gegebenheiten und Entwicklungen aufzuklären. Der AK Lehramt hilft betroffenen Studienanfänger*innen dabei ebenso wie studentischen Fach- und Fachschaftsrät*innen, die zum neuen Lehramt beraten bzw. über neue Modulhandbücher abstimmen sollen, ohne wirklich zu wissen, was da gerade eigentlich passiert. (Und mitunter auch nicht-studentischen Mitgliedern von Seminaren und Fakultäten, denen es erfahrungsgemäß nicht großartig anders geht). Diese Aufklärungs- und Beratungsarbeit geschieht durch die Erstellung von Broschüren (wie den “Hitchhiker’s Guide“), Flyern (wie diesen hier zum “Berufsziel Lehrer*in“) sowie des regelmäßig erscheinenden Newsletters “Neues aus dem Lehrerzimmer“, aber auch durch persönliche Gespräche und Hinweise, soweit es die Zeit der Aktivist*innen zulässt.
Schließlich nehmen die Studierenden aus dem AK Lehramt nicht nur mittelbar auf die Entscheidungen der involvierten Uni-Gremien (und damit die konkrete Ausgestaltung des polyvalenten Bachelors, des Masters of Education sowie der Erweiterungs-/Drittfach-Studiengänge) Einfluss. Sie sitzen selbst im HSE-Rat und der AG Master und versuchen, die Vorgaben des Landes in eine möglichst studierendenfreundliche Lösung zu überführen, soweit das eben möglich und mit den anderen Parteien zu machen ist. Ein geradezu klassischer Fall von Schadensbegrenzung also.
All das bedeutet allerdings nicht, dass sich der AK Lehramt mit der Reform abgefunden oder gar versöhnt hätte. Ganz im Gegenteil. Davon kann beispielsweise die Steuerungsgruppe von Universität & Pädagogischer Hochschule ein Lied singen, aus der die studentischen Mitglieder einst geschlossen ihren Rücktritt erklärten, als offensichtlich wurde, dass man sie nicht auf Augenhöhe partizipieren und mitentscheiden ließ. Und auch die Landesregierung wurde unlängst wieder daran erinnert. Erst vor wenigen Wochen beteiligten sich AK Lehramt & Studierendenrat an dem landesweit koordinierten Versuch, irgendwie mit der zuständigen Ministerin ins Gespräch zu kommen und sie doch noch zu einem Umdenken zu bewegen. Ihre erste Antwort gibt zwar keinen Anlass zu allzu großen Hoffnungen. Immerhin wurde für das Frühjahr 2019 aber ein Treffen vereinbart, wohl auch dank der entsprechenden medialen Resonanz dieser Aktion.
Kurzum: Die Verfasste Studierendenschaft lässt sich in Sachen Lehramtsreform auch weiterhin nicht entmutigen, sondern bleibt hartnäckig an der Sache dran. Ohne ihr Engagement wäre der Status Quo schließlich nur (noch) fataler – und den Lehramtsstudierenden, die die Folgen der Reform letztendlich ausbaden müssen, damit am allerwenigsten geholfen.
Derzeit gibt so einige Ämter mit Lehramtsbezug, die vakant sind und von engagierten Studierenden übernommen werden könnten, u.a. die Mitwirkung in der PLACE-Auswahlkommission. (In dieser Rolle würdet ihr dann über die Vergabe dieser Fellowships entscheiden, für die aktuell übrigens mal wieder eine Bewerbungsphase läuft.)
Apropos Fördermittel: Wie in Türchen № 6 schon erwähnt, stellt die Verfasste Studierendenschaft mit ihrem (rund 6800 Euro großen) Lehramtstopf konkrete Mittel zur Verfügung, um die Qualität der Lehramtsausbildung zu verbessern. Für diesen Topf ist jede*r Studierende antragsberechtigt, also auch Hochschulgruppen oder Privatpersonen. Wir freuen uns auf eure Vorschläge und Ideen!
Und schließlich: Just am heutigen Sonntag erscheint zufällig auch gleich eine neue Ausgabe des Lehrerzimmers. Schaut rein, es lohnt sich!
[Die VS-Veranstaltungstipps dagegen entfallen heute, da es im Grunde nichts gibt, worauf sich verweisen ließe.]