№ 10: HILFE ZUR SELBSTHILFE
Vor exakt 70 Jahren – am 10. Dezember 1948 – verabschiedeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Diese Deklaration war eine direkte Reaktion auf die Untaten vor und während des Zweiten Weltkriegs (wie sie nicht nur, aber insbesondere von Nazi-Deutschland begangen wurden). Gemeinsam wollte sich die Weltgemeinschaft dazu verpflichten, dass es nie wieder zu solch grauenvollen Verbrechen kommt und die Rechte eines jedes Menschen fortan gewahrt werden.
Bei aller Freude über diesen historischen Moment: Eine abstrakte Erklärung alleine genügt nicht. Sie muss mit Leben gefüllt werden und konkrete Handlungs- und Sanktionsmöglichkeiten beinhalten. Auch vor diesem Hintergrund hat der Studierendenrat – als zentrales legislatives Organ der Verfassten Studierendenschaft – es nicht einfach dabei belassen, eine Grundsatzpositionierung gegen Diskriminierung und Exklusion zu verabschieden. Innerhalb der Verfassten Studierendenschaft wurden spezielle Schutzzonen geschaffen, die vom Gedanken der Hilfe durch Selbsthilfe geleitet sind: die autonomen Referate.
Diese speziellen Organe der VS wurden eingerichtet, “um gesellschaftlich benachteiligten Studierenden zu ermöglichen, ihre Interessen nach dem Prinzip der Selbstvertretung wahrzunehmen und ihrer Benachteiligung in Hochschule und Gesellschaft entgegenzuwirken”, wie es in § 28 Abs. 1 der Organisationssatzung heißt. Es sind also aktive Gruppen von
Die Freiheiten und Möglichkeiten der autonomen Referate gehen allerdings noch sehr viel weiter. Grundsätzlich gilt: Autonome Referate regeln ihre Angelegenheiten selbst. In diesem Sinne verfügen sie über ein eigenes Budget und dürfen für die Arbeit in ihrem Bereich selbständig Ausgaben bis zu einer bestimmten Grenze tätigen. Sie geben sich überdies selbst eine Geschäfts- und Wahlordnung und besitzen das ausschließliche Vorschlagsrecht für die Wahl bzw. Bestätigung ihrer Referent*innen im StuRa. Zumal autonome Referate – anders als nahezu alle sonstigen Referate – nicht jederzeit mit absoluter Mehrheit vom Studierendenrat aufgelöst werden können und auch in dieser Hinsicht einen besonderen Status genießen.
Durch all diese Regelungen versucht die Verfasste Studierendenschaft sicherzustellen, dass die autonomen Referate möglichst unabhängig und uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen können. Und tatsächlich: Man kann an der florierenden Praxis erkennen, dass diese Überlegungen aufgehen.
Derzeit gibt es vier autonome Referate, nämlich das autonome Referat für Betroffene von geschlechtsspezifischer Diskriminierung (IT’s FuN-Referat), für von Diskriminierung aus Gesundheitsgründen betroffene Studierende (Gesundheitsreferat), für Betroffene von Rassismus und Diskriminierung aufgrund kultureller Zuschreibungen (Antira-Referat) sowie für Betroffene von sexualitätsbezogener Diskriminierung (Queer-Referat).
Ein ganz entscheidender Teil ihrer jeweiligen Arbeit spielt sich naturgemäß hinter den Kulissen ab, wo sie – mit der nötigen Glaubwürdigkeit, Sensibilität und Verschwiegenheit – als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen, betroffenen Studierenden zuhören, Mut einflößen, Optionen aufzeigen und Hilfe anbieten. Zugleich befinden sie sich im Austausch mit verschiedenen gesellschaftlichen und hochschulpolitischen Akteur*innen, versuchen auf bestimmte Probleme aufmerksam zu machen, überkommene Sichtweisen zu ändern und konkrete Zugeständnisse und Verbesserungen (wie etwa die Einrichtung von Ruheräumen) zu erreichen.
Diese nicht-öffentliche Arbeit ist jedoch längst nicht alles, wie der Blick auf ihr illustres Veranstaltungsprogramm beweist. Sie organisieren Zuhörkreise, Kochabende, Workshops, Vorträge, Filmabende, Lesungen und ganze Veranstaltungsreihen. Sie führen sie Umfragen durch, erstellen und verteilen Ersti-Fibeln und zeigen auch mal klare Kante, wenn der Anlass es erfordert.
Kurzum: Auf all diese unterschiedlichen Arten und Weisen agieren die autonomen Referate selbst als die bestmöglichen Advokat*innen ihrer Sache, sensibilisieren für Formen von Diskriminierung und helfen den Betroffenen. Im Schulterschluss mit der gesamten Verfassten Studierendenschaft arbeiten sie daran, dass v.a. Artikel 2 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (“Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand”) nicht einfach nur auf dem Papier besteht – sondern der gemeinsame Traum von einer diskriminierungsfreien Hochschule (& Gesellschaft) Stück für Stück Realität wird.
Ihr wollt euren Teil zu diesem ambitionierten Ziel beitragen? Die autonomen Referate halten regelmäßige Mitgliedertreffen ab und freuen sich immer über neue Mitstreiter*innen und Unterstützer*innen. Zugleich achten sie darauf, dass die Hürden für eine Teilhabe besonders niedrigschwellig sind und die Anonymität von Studierenden gewahrt bleibt, falls dies gewünscht wird. Meldet euch einfach bei per E-Mail bei den jeweiligen Referaten.
Selbiges gilt übrigens auch, wenn ihr einer Diskriminierungserfahrung ausgesetzt seid und nicht wisst, wie ihr damit klarkommen sollt oder was man dagegen tun könnte. Nur Mut! Meldet euch!
Dass es vier autonome Referate gibt, hat sich zwar in der Praxis bewährt, ist aber keineswegs in Stein gemeißelt. Vom Studierendenrat können auf Antrag weitere autonome Referate eingerichtet werden. Ihr habt das Gefühl, dass genau das geschehen sollte? Dass es eine gesellschaftlich benachteiligte Gruppe von Studierenden gibt, die innerhalb der bestehenden VS-Struktur nicht über ausreichende Handlungsmöglichkeiten verfügt? Setzt euch am besten mit dem Gremienreferat in Kontakt, wenn ihr einen derartigen Vorstoß plant. Es berät und unterstützt euch bei der Antragsstellung.