№ 20: SOLIDARITÄT NACH INNEN & AUSSEN
Den 20. Dezember haben die Vereinten Nationen zum internationalen Tag der menschlichen Solidarität ausgerufen. “Wir können unsere gemeinsamen Ziele erreichen, wenn alle Menschen in der Lage sind, an der Erarbeitung und der Umsetzung der politischen Pläne und Programme, welche unsere gemeinsame Zukunft formen, teilzuhaben. Bloße Versprechungen sind Worte ohne Inhalt”, mahnte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon anlässlich dieses Gedenktags. Von der Verfassten Studierendenschaft – die just im Jahr dieser Rede wiedereingeführt wurde, nach einer fast 35 Jahre langen Zwangspause – dürfte er in diesem Sinne überaus angetan sein. Solidarität ist schließlich eines der zentralen Prinzipien, auf denen unser gesamtes Schaffen und Streben fußt. Das zeigt sich nicht nur bei der Rechtsberatung und dem Semesterticket, die wir euch in diesem Adventskalender bereits vorgestellt haben (und jeweils nur aufgrund von Solidarfinanzierung möglich sind). Diese Geisteshaltung spiegelt sich auch in unseren verschiedenen Solidartöpfen wider, mit denen wir Studierenden in Not – zumindest kurzzeitig, dafür aber schnell und bedarfsgerecht – mit finanziellen Zuschüssen aus der Patsche helfen.
Einerseits verlieren wir dabei auch die Welt um uns herum nicht aus dem Blick, wobei wir uns – qua unseres historischen Erbes – mit den bayerischen Studierenden ganz besonders verbunden fühlen. Bayern ist schließlich das einzig verbliebene Bundesland, das seinen Studierenden auch weiterhin eine Verfasste Studierendenschaft verweigert, nachdem selbst hierzulande 2012 korrigiert wurde, was 1977 aus dubiosen Gründen (und von dubiosen Personen) angerichtet wurde. In Bayern erfolgte die Abschaffung der VS sogar schon 1973 (unter ähnlich fragwürdigen Umständen und Figuren), doch auch unter der neuen Landesregierung dürfte sich diesbezüglich nichts ändern. Dadurch fehlen den dortigen Studierenden jedoch auch weiterhin sowohl die rechtlichen Möglichkeiten, über die wir in Baden-Württemberg endlich wieder verfügen, als auch die damit einhergehenden finanziellen Mittel.
Die Verfasste Studierendenschaft der Universität Heidelberg zeigt sich daher solidarisch mit den bayerischen Studierenden – genauso, wie uns auch die Studierendenschaften aus anderen Bundesländern zur Seite standen, als wir viele Jahre lang recht- und mittellos waren. In diesem Sinne hat der Heidelberger Studierendenrat schon in seiner historischen allerersten Sitzung eine Solidaritätserklärung verabschiedet und selbst in diesem feierlichen Moment die Lage seiner östlichen Nachbar*innen nicht vergessen. Zumal er natürlich auch praktische Hilfe leistet und regelmäßig Finanzanträge aus Bayern bewilligt. Dies war beispielsweise in der 26., 51., 67., 74. & 88. Sitzung des Studierendenrats der Fall, wo sich Gruppen aus Regensburg, Nürnberg und Passau über Zuspruch aus Heidelberg freuen durften und für ihre mühsame hochschulpolitische Arbeit finanzielle Unterstützung erfuhren.
Den Schwerpunkt unseres Engagements bildet andererseits aber natürlich die Universität Heidelberg selbst, wo wir uns nach Kräften darum bemühen, dass an unserer eigenen Hochschule eine Kultur der Solidarität entstehen und florieren kann. Eine Schlüsselrolle in diesen Bemühungen kommt dabei der Härtefallkommission zu, die 2016 erstmals ihre Arbeit aufnahm. Hierbei handelt es sich um eine fünfköpfige Vergabekommission unter Federführung des Sozialreferats, deren Mitglieder (und Stellvertreter*innen) vom Studierendenrat gewählt werden. In nicht-öffentlicher Sitzung beraten diese ehrenamtlichen Studierenden über die Vergabe, Höhe und Dauer von beantragten Härtefallzahlungen. Das ihren Entscheidungen zugrunde liegende Rechtswerk ist die sog. Härtefallordnung, die seither beständig weiterentwickelt und zweimalig erweitert wurde. Mittlerweile gibt es drei separate Programme, die sich gegenseitig ergänzen, aber allesamt bei der Härtefallkommission zusammenlaufen.
Den eigentlichen Kern des Ganzen bildet das Notlagenstipendium, das bereits im November 2015 beschlossen wurde. Die Verfasste Studierendenschaft ermöglicht mit diesem Programm „Härtefallzahlungen an einzelne Mitglieder, wenn dies in einer unvorhergesehenen kurzfristig eingetretenen Notlage für die Fortführung des Studiums nötig wird und für den*die entsprechende*n Kommiliton*innen keine andere, der Situation angemessene kurzfristige Hilfe besteht, unvermeidbare Kosten zu tragen“, wie es in der Härtefallordnung heißt. Dies kann beispielsweise der unvorhergesehene Verlust des Arbeitsplatzes sein, aber auch eine plötzliche finanzielle Belastung, sodass man kurzfristig nicht mehr weiß, wie man den Lebensunterhalt bestreiten oder die Miete bezahlen soll. In solchen Fällen kann betroffenen Studierenden maximal ein Quartal lang mit einem maximalen monatlichen Zuschuss in Höhe des BAföG-Höchstsatzes exklusive KV/PV-Zuschlag aus der Patsche geholfen werden, also im Höchstfall mit drei monatlichen Zahlungen à 649,- Euro.
Speziell zur Unterstützung geflüchteter Studierender in wirtschaftlicher Notlage wurde schon ab April 2016 ein ergänzendes Programm vorbereitet, das schließlich im November 2016 auch offiziell vom StuRa verabschiedet werden konnte und 2017 in Kraft trat. Härtefallzahlungen können seither „auch an Geflüchtete vergeben werden, sofern diese an einer Maßnahme der Universität zur Förderung der fachlichen und sprachlichen Vorbereitung für ein Fachstudium teilnehmen, eine finanzielle Notlage gegeben ist, die einer Immatrikulation oder einer Beibehaltung der Immatrikulation entgegensteht und die Notlage nicht anderweitig angemessen beseitigt werden kann“, wie es die Härtefallordnung formuliert. Auch hier kann die Härtefallkommission pro Monat maximal den BAföG-Höchstsatz exklusive KV/PV-Zuschlag bewilligen, dafür allerdings bis zu sechs Monate lang.
Zum 1. Januar 2019 tritt schließlich noch ein drittes Programm in Kraft, das im Juli 2018 auf den Weg gebracht und am 6. November offiziell verabschiedet wurde: die Exkursionsförderung für soziale Härtefälle. Die Verfasste Studierendenschaft kann dadurch auch Studierende der Universität Heidelberg bezuschussen, „wenn dies für die Teilnahme an einer für das Studium notwendigen oder relevanten Exkursion notwendig ist und für den*die entsprechende*n Kommiliton*innen keine andere, angemessene Unterstützung besteht“. Förderungswürdig im Sinne dieser Ordnung „ist eine Reise bzw. ein Aufenthalt außerhalb Heidelbergs für einen begrenzten Zeitabschnitt, in dem studienrelevante Inhalte erforscht und erlernt werden“, wobei „besondere Forschungsaufenthalte für eine akademische Arbeit und Auslandssemester“ davon explizit ausgenommen sind, wie die Härtefallordnung betont.
Die Zielgruppen dieser drei Programme sind also leicht unterschiedlich, das Verfahren im Prinzip jedoch immer gleich: Alle Antragsstellenden müssen ihre Einnahmen und Ausgaben offenlegen, eine ausdrückliche Erklärung abgeben, dass man auf keine ausreichenden Vermögensrücklagen (o. Ä.) zurückgreifen kann, und eine Immatrikulationsbescheinigung respektive einen Nachweis über die Zulassung zum Vorfachstudium an der Universität Heidelberg vorweisen können. (Was ansonsten noch verlangt wird, steht hier.)
Zeitnah nach Eingang eines (vollständigen) Antrags tritt die Härtefallkommission zusammen. Im Falle von Notlagenstipendium und Geflüchtetenförderung hat dies sogar innerhalb von sieben Tagen zu erfolgen. So ist sichergestellt, dass auch tatsächlich möglichst schnell Hilfe gewährt werden kann, falls der geschilderte Fall förderungswürdig erscheint. Freilich gilt dabei, dass es nicht zwingend die Maximalförderung sein muss. Die Kommissionsmitglieder können bedarfsgerecht entscheiden, welche Dauer und Höhe der Förderung angebracht erscheint. In jedem Fall braucht es jedoch eine 2/3-Mehrheit, damit ein Zuschuss bewilligt werden kann.
Das Ganze ist natürlich eine stetige Gratwanderung – zwischen zu viel Bürokratie und zu wenig Struktur, zwischen zu viel Entscheidungsfreiheit und zu wenig Orientierung, und natürlich auch zwischen zu viel und zu wenig finanzieller Hilfe. Den idealen Ausgleich, der alle Seiten und Parteien zufrieden stellt, wird man nie erreichen. Nach etwa drei Jahren lässt sich trotzdem ein positives Zwischenfazit ziehen. Das System spielt sich immer besser ein und wird auch immer besser angenommen: Nach circa 20 Anträgen im vergangenen Jahr gingen 2018 schon ca. 30 Anträge ein, wobei sich die bewilligte Gesamtsumme in beiden Jahren auf roundabout 15.000 Euro beläuft. Besonders schön dabei ist obendrein, dass das Angebot derzeit gerade von internationalen Studierenden genutzt zu werden scheint. Just bei dieser Gruppe scheint also ein erhöhter Bedarf vorzuliegen, was die Bedeutung dieses ganzen Programms sozusagen noch einmal doppelt unterstreicht.
Kurzum: Wir als Verfasste Studierendenschaft sind nach Kräften darum bemüht, Studierenden in Not schnell und bedarfsgerecht unter die Arme zu greifen. Mögen sie aus Bayern oder Gambia, Grönland oder Kirchheim kommen: In erster Linie zählt für uns (nicht nur heute) die menschliche Solidarität.
Selbst die Härtefallkommission benötigt indes mal eine Auszeit und legt daher ab Freitag eine Winterpause ein. Anträge können voraussichtlich erst wieder mit Vorlesungsbeginn am 7. Januar bearbeitet werden.Wie man die Kommission am besten unterstützen kann? Indem man Teil von ihr wird! Gegenwärtig sind zwei der vier Stellvertreter*innenplätze noch unbesetzt. Im Falle der Härtefallkommission sind auch diese Positionen von entscheidender Bedeutung, da durch die Einführung des Exkursionstopfes zum 01.01.2019 das Arbeitspensum der Kommission tendenziell ansteigen dürfte und dementsprechend auch die Stellvertreter*innen in verstärktem Maße eingebunden werden sollen.
Besondere Vorkenntnisse sind im Grunde nicht notwendig, sondern lediglich die Bereitschaft, sich in die Anträge einzuarbeiten. Die Mitglieder der Kommission sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Amtszeit beträgt ein Jahr, der Arbeitsumfang beläuft sich grob auf drei bis vier Sitzungen pro Monat. Mehr dazu hier bzw. hier.
Was es abseits von Notfallstipendium & Co. sonst noch für soziale Hilfsangebote für Heidelberger Studierende gibt, erfahrt ihr hier & hier – oder persönlich vom Sozialreferat, das auch eine Sozialberatung anbietet.